Menschenrechte und Drogenpolitik

Warum die Wahrung der Menschenrechte für eine nachhaltige Drogenpolitik unumgänglich ist

Im Kampf gegen illegale Drogen kommt es häufig zu schweren Menschenrechtsverletzungen: Folter, jahrelange Inhaftierungen ohne Strafprozess und Todesstrafen für mutmaßliche Drogennutzer*innen oder Kleinstdealer*innen, die Verweigerung grundlegender medizinischer Behandlung, außergerichtliche Tötungen – um nur wenige zu nennen. Dabei ist die die Wahrung der Menschenrechte eine Grundbedingung von Entwicklung.

 

 

Nur ein Bruchteil aller Suchtkranken weltweit hat Zugang zu angemessener Behandlung, schadensminimierenden Maßnahmen oder erhalten Schutz vor HIV- und Hepatitis-Infektionen. Obwohl die Todesstrafe für Drogendelikte einen Verstoß gegen die internationalen Menschenrechtsnormen darstellt, ist diese immer noch in mindestens 35 Staaten Teil der geltenden Rechtsordnung.

Kollateralschaden Menschenrechte

Auch bei Bekämpfungsstrategien illegalen Drogenpflanzenanbaus kann es zu Menschenrechtsverletzungen kommen. Wenn der Staat die einzige Lebensgrundlage verarmter Familien zerstört, geraten die Betroffenen in existentielle Not. Zudem werden die Pflanzen häufig unter Einsatz von chemischen Mitteln vernichtet, die Mensch und Umwelt schaden. Dies alles führt dazu, dass den Betroffenen grundlegende Rechte wie das Recht auf Nahrung, sauberes Wasser und Gesundheit verwehrt werden.

Keine nachhaltige Entwicklung ohne Menschenrechte

Doch weil Menschenrechte die Grundlage für ein würdevolles und gleichberechtigtes Leben, das Gerüst einer offenen und freien Gesellschaft und die Basis nachhaltiger Entwicklung sind, bilden sie die Grundbedingung deutscher Entwicklungspolitik. Das gilt genauso für die von Deutschland international vertretene entwicklungsorientierte Drogenpolitik. Auch die Vereinten Nationen rufen ihre Mitgliedstaaten dazu auf, Drogenkontrollbemühungen „in voller Konformität“ mit den international vereinbarten Menschenrechtsgrundsätzen durchzuführen. Das Abschlussdokument der Sonderversammlung der Vereinten Nationen zum Weltdrogenproblem 2016 (Special Session of the United Nations General Assembly on the World Drug Problem, UNGASS 2016)  widmet Menschenrechten in der Drogenpolitik erstmals ein eigenes Kapitel. Es weist damit den Weg zu einer Drogenpolitik, die individuelle Rechte und Bedürfnisse stärker in den Fokus stellt.

Alternative Entwicklung stärkt Menschenrechte

Eine entwicklungsorientierte Drogenpolitik, die wirtschaftliche Alternativen von Anfang an miteinbezieht, wie sie vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vertreten wird, gewährt Menschen langfristige Perspektiven. Ziel ist es, dass die Bäuerinnen und Bauern in den Anbaugebieten die Armut hinter sich lassen und sich selbst einen angemessenen Lebensstandard ermöglichen können. Dazu gehört eine ausreichende und ausgewogene Ernährung, Zugang zu Land, zu Gesundheitsversorgung und Bildung. Eine enge Einbindung der lokalen Bevölkerung und ein besonderes Augenmerk auf die Stärkung der Rechte von Frauen im ländlichen Raum sind dabei wesentlich.

Längst überfällig: ein Regelwerk

Häufig fehlt es Regierungen an Wissen, wie sie ihre Drogenpolitik im Sinne der Menschenrechte konkret neu ausrichten können. Orientierung hierfür bieten die International Guidelines on Human Rights and Drug Policy. Das Regelwerk des International Centre on Human Rights and Drug Policy der Universität Essex wurde mit Unterstützung der Globalen Partnerschaft für Drogenpolitik und Entwicklung (Global Partnership on Drug Policies and Development, GPDPD) im Auftrag des BMZ, des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme, UNDP) und des Schweizer Außenministeriums formuliert. Die Richtlinien konkretisieren Drogenkontrollverpflichtungen anhand der international geltenden Menschenrechte und sind ein Novum in der internationalen Drogenpolitik.  Im März 2019 wurden diese erstmalig in der Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen (Commission on Narcotic Drugs, CND) in Wien vorgestellt. Die menschenrechtliche Forderung nach Gesundheits-, Infrastruktur- und Bildungsprogrammen bekräftigt den BMZ-Ansatz, der über den Anbau von Drogenpflanzen hinaus vor allem dessen Ursachen in den Mittelpunkt von Projekten der Alternativen Entwicklung stellt.

 

Mitwirkung aller betroffenen Gruppen

An der Erstellung der Richtlinien waren unterschiedlichste Akteure involviert: Kleinbäuerinnen und -bauern, Drogennutzer*innen, Rechtswissenschaftler*innen, Vertreter*innen von Nichtregierungsorganisationen sowie von staatlichen und internationalen Organisationen. So wurden unterschiedliche Meinungen und Bedürfnisse berücksichtigt und die Grundprinzipien der Partizipation, Transparenz und Nichtdiskriminierung gewahrt. Die Richtlinien werden von vier Agenturen der Vereinten Nationen unterstützt: Durch das Entwicklungsprogramm (United Nations Development Programme, UNDP), die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO), das gemeinsame Programm für HIV/Aids (Joint United Nations Programme on HIV/AIDS, UNAIDS) sowie das Hochkommissariat für Menschenrechte (Office of the High Commissioner for Human Rights, OHCHR).

 

Um die Richtlinien weltweit bekannt zu machen und interessierte Staaten bei der Überführung in nationale Gesetze und Strategien zu unterstützen, wurden bereits mehrere Regionalkonsultationen abgehalten. Die Guidelines sind mittlerweile ins Spanische, Russische und Portugiesische übersetzt. Das Komitee der Vereinten Nationen (VN) zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten griff die Richtlinien bereits auf, ebenso wie der VN-Sondergesandte für das Recht auf Gesundheit.

 

Auch auf der nationalen Ebene konnten die Guidelines bereits für mehrere Staaten ihren Nutzen unter Beweis stellen: Der kolumbianische Verfassungsgerichtshof griff 2020 bei einem Urteil zur Vernichtung von Kokapflanzen mit Glyphosat auf die Richtlinien zurück, um seine ablehnende Position zu untermauern. In Albanien fand ein erstes Training mit Richter*innen statt, in welchem besonders die prozeduralen Rechte im Vordergrund standen. Auch in Zukunft sollen noch passgenauere Instrumente und Formate entwickelt werden, mit welchen die Internationalen Richtlinien bekannter und ihr Inhalt klarer für Anwender*innen auf allen Ebenen wird. Denn der Wert dieses Menschenrechtstools bemisst sich danach, wie viel es zur Anwendung und Umsetzung kommt.

 

Die International Guidelines on Human Rights and Drug Policy finden Sie hier.