Über die Ökobilanz illegaler Drogen - und warum wir dringend eine grüne Drogenpolitik brauchen

Im diesjährigen Weltdrogenbericht der Vereinten Nationen wird erstmals deutlich darauf hingewiesen, dass illegale Drogen und umweltschädigende Einflüsse eng miteinander verknüpft sind. In Anbetracht des Klimawandels ist es an der Zeit, die Debatte mit Fakten zu untermauern und die Drogenpolitik grüner zu gestalten.

Von Jorrit Kamminga

 

Lange Zeit wurde die illegale Wirtschaft hauptsächlich als Sicherheitsproblem mit sozialen und entwicklungspolitischen Folgen diskutiert. Die Tatsache, dass der illegale Anbau und die Produktion von Koka, Schlafmohn und Cannabis auch der Umwelt schaden, ist erst durch die wachsende Debatte über den Klimawandel mehr in den Fokus gerückt. Der diesjährige Weltdrogenbericht enthält ein Sonderheft über den Zusammenhang zwischen illegalen Drogen und der Umwelt. Die illegale Drogenwirtschaft schadet den Menschen und der Umwelt, vor allem im Globalen Süden. Für Millionen von marginalisierten Kleinbäuerinnen und -bauern stellt der illegale Anbau von Koka, Schlafmohn und Cannabis eine Existenzfrage dar. Der Bericht verweist zunächst auf den Zusammenhang zwischen Drogen und Umweltzerstörung im Kontext der Sustainable Development Goals, des Klimawandels und der ökologischen Nachhaltigkeit und gibt dann einen detaillierten Einblick in die Auswirkungen des Drogenanbaus auf die Umwelt.

 

Jüngsten Schätzungen des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (United Nations Office on Drugs and Crime, UNODC) zufolge erstrecken sich allein die Anbauflächen von Koka und Schlafmohn auf eine halbe Million Hektar. Im Vergleich zur Gesamtfläche, die für den Anbau von Nahrungsmitteln genutzt wird, stellt dies zwar nur einen geringen Anteil dar, hat aber dennoch erhebliche lokale Auswirkungen. Für den Anbau dieser Pflanzen werden große Mengen an Wasser, Düngemitteln und Pestiziden verwendet. Die Kleinbäuerinnen und -bauern leben oft in entlegenen, marginalisierten Regionen, weit weg von jeglicher Infrastruktur oder staatlichen Einrichtungen. Der überwiegende Teil des Koka-Anbaus findet in der Andenregion statt. Landwirte pflanzen hier die Sträucher in kleinen Parzellen innerhalb von Nationalparks und Waldreservaten an – Ökosysteme, die besonders empfindlich und schützenswert sind. Nach der Ernte werden die Kokablätter vor Ort mit Chemikalien wie Benzin, Schwefelsäure, Kaliumpermanganat, Natriumhydroxid und Aceton behandelt. Da die Herstellung illegal ist und es folglich keine Infrastruktur für die Entsorgung des Giftmülls gibt, gelangt dieser ungefiltert in die Umwelt.

 

Illegaler Anbau und Entwaldung

In den Amazonasgebieten haben wir in den letzten Jahren einen enormen Verlust an Primärwäldern erlebt. Nicht nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken und illegaler Holzeinschlag sind die Hauptgründe für die Entwaldung. Aber auch der illegale Anbau von Koka trägt – sowohl direkt als auch indirekt – dazu bei.

„Der Koka-Anbau gilt als sogenannte Speerspitze der Agrargrenze: Der Anbau der Sträucher geht mit der Ausweitung von Siedlungs- und Agrarflächen in ausgewiesenen Schutzgebieten einher.“

Indirekt sind die Folgen des Koka-Anbaus sogar noch gravierender: Der Weltdrogenbericht 2022 verweist unter anderem auf eine Studie aus dem Jahr 2020, die zeigt, wie die Geldwäscheaktivitäten des Drogenhandels zum Verlust von Wäldern beitragen. In der Studie wurde untersucht, wie sich die Landnutzung in einem Maya-Biosphärenreservat in Guatemala verändert. Dabei wurde festgestellt, dass die Viehzucht für den größten Teil der Entwaldung im Reservat verantwortlich ist. In fast allen Fällen konnte nachgewiesen werden, dass dies in direktem Zusammenhang mit Organisationen steht, die Drogenhandel betreiben und aus Gründen der Geldwäsche, des Drogenschmuggels oder auch der territorialen Kontrolle in die Viehzucht investieren.

 

Die CO₂e-Bilanz illegaler Drogen

Durch Messung der verursachten Treibhausgasemissionen wird die Ökobilanz der Drogenherstellung nicht besser. Studien über den CO2-Fußabdruck der Kokain- und Cannabisproduktion zeigen, dass die Emissionen der Drogenherstellung erheblich sein können. Während der CO₂e-Fußabdruck des Koka-Anbaus noch relativ klein ist, ist er beim Kokain enorm.

„Bei der Herstellung von einem Kilogramm Kokain wird die gleiche Menge Kohlendioxid freigesetzt als wenn ein Pkw 2.358 Kilometer – also einmal quer durch Europa – zurücklegt.“

Der Anbau von Cannabis hinterlässt sogar einen noch größeren CO₂e-Fußabdruck. Das liegt vor allem daran, dass die Pflanze häufig in geschlossenen Räumen angebaut wird. In Innenräumen müssen Licht, Wärme und Belüftung künstlich erzeugt werden.

„Der CO₂-Fußabdruck des in Innenräumen stattfindenden Cannabis-Anbaus liegt zwischen 2.300 und 5.200 kg CO₂e pro Kilogramm getrockneter Cannabisblüten. Dies entspricht einer Reise mit dem Auto von bis zu 20.000 Kilometern.“

Für den Cannabis-Anbau im Freien liegen die Schätzungen viel niedriger und reichen von 22,7 bis 326,6 kg CO₂e pro Kilogramm getrockneter Cannabisblüten. Im Vergleich zu einer Tasse Kaffee sind die Umweltauswirkungen eines Joints, dessen Rohmaterial in Innenräumen herangewachsen ist, viel größer.

 

Politische Reaktionen und alternative Entwicklungsprojekte

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) setzt sich seit Jahrzehnten für nachhaltige Einkommensalternativen in Drogenanbaugebieten ein. In diesem Zusammenhang sind die Umweltaspekte der Drogenmärkte und der Drogenpolitik von elementarer Bedeutung. Alternative Entwicklungskonzepte, die es Kleinbäuerinnen und -bauern ermöglichen, sich von illegalen Wirtschaftsformen zu lösen und legale und nachhaltige Einkommensmöglichkeiten zu erschließen, werden zunehmend umweltfreundlicher.

 

So fördert beispielsweise ein laufendes alternatives Entwicklungsprojekt in Myanmar den nachhaltigen Anbau von Kaffee und Avocados in Verbindung mit Wiederaufforstungsmaßnahmen und nachhaltigem Kunsthandwerk. In Chiang Rai, Thailand, soll ein alternatives Entwicklungsprojekt mit Schwerpunkt auf nachhaltiger Waldbewirtschaftung die CO₂-Emissionen über einen Zeitraum von 17 Jahren (2016-2033) um 106.788 Tonnen reduzieren. Auf ähnliche Weise wurden Zahlungen für Umweltleistungen in ein alternatives Entwicklungsprojekt in Waldreservaten im Valle del Cauca, Kolumbien, einbezogen. Bauernfamilien schützen den Wald und die Qualität der Wasserversorgung und erhalten im Gegenzug Zahlungen für ihre Umweltleistungen und technische Unterstützung für einen produktiveren Anbau von Nutzpflanzen. Dies hat nicht nur zu einer Erholung der Umwelt geführt, sondern auch zu einem Anstieg des Haushaltseinkommens um durchschnittlich 42 %.

 

Vor allem vor dem Hintergrund des starken Verlusts der biologischen Vielfalt und der globalen Erwärmung zeigen diese Beispiele, welches Potenzial in alternativen Entwicklungsprojekten steckt.

„Eine grüne Drogenpolitik stellt die Weichen für die Zukunft, da im Hinblick auf die Generierung von Einkommen und den Schutz der natürlichen Ressourcen wichtige Wirkungen erzielt werden.“

Erste Schritte auf einem langen, aber lohnenden Weg

Der Weltdrogenbericht 2022 zeigt anhand anschaulicher Beispiele, wie Umwelt- und Drogenpolitik zusammenwirken können. Mit der Veröffentlichung des Sonderheftes wird somit einer von vielen richtigen Schritten auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Drogenpolitik unternommen, die eine nachhaltige und umweltgerechte Entwicklung des ländlichen Raums unterstützt.